GEDANKENBILDERBUCH

ich habe dich gefunden
auf einem stück papier

anfangs meinte ich, du wärst ein teil von mir,
von mir erfunden und zurechtgestutzt,
doch im zuruf deines morgengrußes
setzte sich die einsicht auf meine schulter

verdichtetes aufleuchten einer freude
erhellt das geheimnis des beschenktwerdens

still ruht der see
im spiegel des morgens

schlaftrunkene blätter
putzen ihre roten nasen
unter schneehäubchen

müde wellen halten
den atem an

lautlos gleitet ein nebelhauch
über das tal

ich seh am himmel
ein zwinkersternchen

wenn ich mal übermütig bin
zwinkert es mir zu
und versteht

lichtjahre entfernt
rätsle ich über die sekunde eines lidschlags
in einer sternklaren nacht

stets bereit, stets erreichbar,
stets mobil, stets kompetent,
immerzu brennend

der schrei

herausgebrüllt aus dem krebsgeschwür unserer gesellschaft,
der schrei, der verfügbarkeitsmoleküle zusammenfallen lässt
wie kartenhäuser am stammtisch des globalen dorfwirtshauses

asche, alles nur asche,
mittendrin ein funken leben
glosend, beinahe erstickt

der schrei

sie kommen aus der ferne
und werden uns nah,
weil sie unsere kinder betreuen
und ihre eigenen verlassen,
um leben zu können
rechtlos

wir wollen nicht wissen, wo ihr zuhause ist,
wenn die tür hinter uns ins schloss fällt
und wir uns in die rushhour des alltags begeben,
die jungen behütet wissend, die alten versorgt
und uns selbst überfordert
atemlos

es ist ihr mutterlos hier zu sein, fürsorglich
entfremdet den fernen töchtern und söhnen
kinderlos

wir nehmen es an
wortlos

hast du das glück verspürt
im spielenden kind
am unendlichen strom
bei fährmännern und fischern?

vergangen sind die ersten dinge,
die unsichtbaren, für viele

tief in dir angenommen
von innen gekommen
entspringt sichtbares sein

zwischen brücken
schickt die abendsonne
den schwülen glanz des tages
in dunkel werdendes wasser

wir tauchen ein
in den tiefen schatten
der zeit

nach und nach versinkt der sommer
im herbstwinkel der stadt

tausend tode
sterb ich beim abschied
tausend freuden
leb ich beim wiedersehen

mein herz schlägt im rhythmus
der tanzenden tränen

die letzten sonnenstrahlen des tages
die letzten schwimmzüge im see
der alte kirchturm im bergschatten
der glühende gipfel im abendrot
der schwarze scherenschnitt des gebirges
das honiggelb im orange des türkisblauen nachthimmels
der erste stern

aufblick

sein
gedanke sein
liebevoller gedanke sein
dein liebevoller gedanke sein
du liebevoller gedanke mein
dankbar sein
du sein
ich